‚Hirnfresser‘ versus ‚Zombies‘
Der mit dem Internationalen Literaturpreis 2022 ausgezeichnete Roman Leichte Sprache von Cristina Morales erzählt die Geschichte von vier Frauen, die mit der Diagnose einer geistigen Behinderung in einer betreuten Wohnung im gentrifizierten Barcelona leben. Schnoddrig, witzig, geistreich, wild, sehr wütend und kreativ sind Begriffe, die den Sog dieses Buches nur notdürftig beschreiben. Genregrenzen werden ohne mit der Wimper zu zucken überschritten, mal Ich-Erzählung, mal satirisches Berichtmaterial der Sozialhelferin, mal Gedicht, mal Dialog, mal wild bebilderte Collage und Fan-Zine überträgt sich der Geist einer politisch aktiven, alle Unterdrückungsformen hinterfragenden Hausbesetzer*innenszene Barcelonas mittels gelungener Übersetzung. Es geht um institutionalisiertes Tanzen, das Fahren ohne Fahrscheine auf elendslangen U-Bahnverbindungen, Kapitalismus, Marx und Ladendiebstahl, selbstbestimmtes Lernen und das konsequente Hinterfragen aller Machtdimensionen. Unterhaltsam, schmerzhaft und genial.
Karin Schönpflug
Cristina Morales: Leichte Sprache. Aus dem Span. von Friederike von Criegern, Matthes & Seitz, Berlin 2022 EUR 25,70