Kalter Wind in Bolivien

Anhand von Schlüsselbegriffen stellt die Kulturwissenschaftlerin Karin Harrasser das Leben von Monika Ertl und ihrem nationalsozialistisch gesinnten Vater und Dokumentarfilmer Hans Ertl in Bolivien in Passagen vor. Nach 1945 tauchen über die Rattenlinie hochkarätige Nationalsozialisten in Lateinamerika unter. In den rechtsnationalen Militärdiktaturen vermitteln sie Foltermethoden oder Know How für mili­tärische Einsätze. Diese Ewiggestrigen sind das soziale Feld, in dem sich die Familie Ertl bewegt. Als Lieblingstochter unterstützt Monika Ertl ihren Vater bei Filmarbeiten über indigene Stämme. Jung, unglücklich verheiratet, missbilligt sie die katastrophalen Arbeitsbedingungen der Bergarbeiter. Details, warum sie sich der ELN (Ejército de Liberación Nacional) anschließt, sind heute schwer zu belegen. 1971 wird Monika Ertl verdächtigt, einen Folterknecht aus Bolivien in Hamburg erschossen zu haben, als sie sich für Spendensammlungen dort aufhält. Es wird vermutet, dass sie von Don Klaus alias Klaus Barbie in La Paz denun­ziert und schließlich von den Militärs auf offener Straße erschossen wird. Harrasser kommentiert, dass weibliche Revolutionär:innen gern biografisch unterschätzt werden. Ihr politisches Engagement wird daraus abgeleitet, dass sie aus religiösen Motiven oder aus der Verehrung eines Helden handeln. Ihr politisches Gewicht wird dadurch verharmlost, ausradiert. Informativ, auch wenn Vermutung und Realität sich schwer voneinander unterscheiden lassen. Bekannte Namen begleiten den Inhalt. Gut geschrieben! Spannend!
ML
Karin Harrasser: Surazo. Monika und Hans Ertl – Eine deutsche Geschichte in Bolivien. 272 Seiten, Matthes & Seitz, Berlin 2022 EUR 26,80