Kupplerin der Nation, Jägerin der Nazis
Die Kamera ist auf zwei Damen gerichtet, die an einem Biertisch beim Heurigen sitzen. Man hört eine unverwechselbare, rauchige Stimme aus dem Off, die sehr einfache, aber offenbar die richtigen Fragen stellt. Denn es dauert nicht lange, bis die Damen von ihren verlorenen Lieben und ihren innersten Sehnsüchten erzählen. Die Stimme aus dem Off – das ist Elizabeth Toni Spira, österreichische Journalistin und Filmemacherin, die vor allem für ihre Reihen Alltagsgeschichte und Liebesg’schichten und Heiratssachen bekannt wurde. In der Biografie Die Spira schaut sich die Autorin Stefanie Panzenböck ihr Leben genauer an. Anhand von Archivmaterial, Tagebüchern und Gesprächen mit Angehörigen zeichnet sie eine Geschichte über den Werdegang der Filmemacherin. Ihre Kindheitserfahrungen als Jüdin in einer katholischen Volksschule, die Geschichten ihrer Eltern als Vertriebene und Zurückgekehrte und das Aufwachsen in einer Familie, in der man viel über Politik, aber selten über Emotionen sprach – all das prägte Spira in ihrer Arbeit. Bis zum Ende ihres Lebens versuchte sie ihre Heimat, die sich oft nicht nach Heimat anfühlte, durch ihre Filme zu verstehen und Österreich vor allem in Sachen Rassismus und Antisemitismus den Spiegel vorzuhalten. Panzenböck findet im Buch die richtige Mischung aus Daten und Fakten, persönlichen Geschichten und historischen Zusammenhängen, um das Leben einer Frau zu beschreiben, die es schaffte, das Menschliche, das Persönliche, aber auch das Unangenehme und Hässliche aus ihren Gegenübern herauszukitzeln.
Michaela Koffler
Stefanie Panzenböck: Die Spira. Eine Biografie. 224 Seiten, Falter, Wien 2022 EUR 24,90