Leben als Ausnahmezustand
Gleich nach dem Abitur zieht es Julia Leeb aus dem beschaulichen Bayern hinaus in die Welt. Aus einem dreiwöchigen Spanischkurs in Ecuador werden sechs Jahre im Ausland. Die Zeit in Südamerika macht aus ihr einen politischen Menschen. Um das Unrecht, dem sie begegnet, sichtbar zu machen, beschließt sie Fotojournalistin zu werden. Leeb richtet ihre Kamera in die toten Winkel der Welt und macht Fotos von Regionen „von denen wir kaum Bilder in den Medien sehen, weil Krisen und Kriege die Menschen aus dem Land treiben, sie kraftlos machen oder zum Schweigen bringen“. Als Chronistin der Umbrüche unserer Zeit gerät die Reporterin oft selbst in Lebensgefahr. Als sie mit ihren Recherchen der Wahrheit zu nahe kommt, soll sie kaltblütig umgebracht werden. Ein anderes Mal wird sie verschleppt, um als Zeugin mundtot gemacht zu werden. Leeb gibt auch Einblicke in die Arbeit von Kriegsreporter*innen. Vielen ihrer männlichen Kollegen wirft sie Zynismus und Verrohung vor. Für sie selbst steht Mitgefühl an erster Stelle. In ihren Reportagen über die Erniedrigten und Beleidigten der Welt gibt es auch immer wieder Begegnungen voller Schönheit und Hoffnung. Dabei sind es vor allem Frauen, die durch ihren Mut und ihre Zuversicht auf den Weg aus der Gewalt und Unterdrückung zu Frieden und wahrer Menschlichkeit weisen.
Ute Fuith
Julia Leeb. Menschlichkeit in Zeiten der Angst. Reportagen über die Kriegsgebiete und Revolutionen unserer Welt, mit zahlreichen Fotos. 231 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2021, EUR 18,50