Leben in der ‚Men’s World‘
Manila zu Beginn der 1970er: Ferdinand Marcos wurde zum zweiten Mal Präsident und 1972 wird das Kriegsrecht verhängt. Lualhati Bautistas Protagonistin Amanda ist eine gut angepasste bürgerliche Ehefrau und liebende Mutter von fünf Söhnen. Diese bringen die Realität ins Haus, stellvertretend für unterschiedliche Antworten auf das Leben in Autoritarismus und Ausbeutung. Amanda ist konfrontiert mit der brutalen Verfolgung von Widerstandskämpfer_innen, der Gewalt gegen Außenseiter, der Repression gegen Kritiker_innen. In den Figuren der ‚Schwiegertöchter‘ manifestiert sich dann ein neues Selbstverständnis junger Frauen, die dafür kämpfen, in dieser ‚Men’s World‘ selbstbestimmte Wege zu gehen. So beginnt auch Amanda mehr und mehr, überkommene bürgerliche Haltungen und Geschlechterrollen in Frage zu stellen. Bautista veröffentlichte ihren Roman bereits 1983, geschrieben in der mit Englisch durchsetzten Umgangssprache Tagalog, schnörkellos und direkt, was zusammen mit dem günstigen Preis das Buch für viele damals zugänglich machte. Mit ihrer mutigen Kritik am Regime, an patriarchalen Strukturen und an der Gewalt gegen Frauen ist sie eine feministische Vorreiterin zeitgenössischer philippinischer Literatur – umso mehr, wenn wir bedenken, dass Scheidungen auf den Philippinen bis heute nicht erlaubt sind. Die 70er ist ein Klassiker, der nunmehr erstmals auf Deutsch einen faszinierenden Einblick in diese Zeit auf den Philippinen ermöglicht.
Lisa Grösel
Lualhati Bautista: Die 70er. Aus dem Tagalog von Annette Hug. 200 Seiten, Orlanda Verlag, Leipzig 2025 EUR 22,50
