Macht im Netz
ach ihrem Erfolgsroman Die Kunst zu verlieren widmet sich Alice Zeniter in Machtspiele neuen Themen. Die beiden Protagonist*innen gehören weitschichtig zum selben Bekanntenkreis, ihre Leben könnten aber nicht unterschiedlicher sein. L., aus einem von Prekarität geprägten migrantischen Milieu in den Pariser Vororten ist schon als Jugendliche eine Außenseiterin, entdeckt aber im ‚Drinnen‘ – den frühen Phasen des Internets – einen erträglichen Ort, wo sie ihre Identität findet und viele Kenntnisse erwirbt, die ihr das Prädikat ‚Hackerin‘ einbringen. Antoine hingegen wächst in einer Arbeiterfamilie in der Provinz auf, schafft dann den Absprung auf die Uni in Paris und schließlich zu einer Stelle als Mitarbeiter eines Parlamentsabgeordneten aus dem linken Spektrum. Sein Leben bleibt voller Widersprüche: während er von jenen, denen er sich politisch nahe fühlt, dem Establishment zugeordnet wird, fürchtet er im Job nichts mehr als den Abstieg. Die Wege von L. und Antoine kreuzen sich, nachdem L.s Freund eine große Überwachungssoftware-Firma hackt und verhaftet wird. L. fühlt sich fortan weder im Drinnen noch im Draußen sicher. Die Autorin stellt anschaulich dar, welche Netzwerke in beiden Welten am Werk sind, wie unterschiedliche Kräfte um die Macht oder deren Erhalt kämpfen und wo Individuen oder machtferne Gruppen dabei auf der Strecke bleiben. Zeniters Stil ist dicht, der Text voll konzentrierter Informationen und Gedanken. Spannend und lesenswert.
Eva Steinheimer
Alice Zeniter: Machtspiele. Aus dem Franz. von Yvonne Eglinger. 560 Seiten, Berlin Verlag, Berlin/München 2023 EUR 26,80