Märchenhaft – schrill – atemlos
Das
literarische Debut von Helena Adler ist unfassbar, beinahe
unbeschreiblich großartig. Wie ein postmodernes Märchen bricht die
Geschichte der rotzfrechen Infantin über die Leserin herein und
lässt das kleine Mädchen durch kreative Wortschöpfungen, leb- und
bildhafte Sprache auferstehen. Mal will man die Protagonistin an die
Hand nehmen, dann wieder voller Ekel vor ihr entfliehen. Die oft
düsteren Metaphern zeugen von einem literarischen Niveau, dass die
Herzen von Leserinnen höher und schneller schlagen lässt.
Hinauszögern will man das Zu-Ende-Lesen des Buches, da die besondere
Welt zum Staunen, Nachdenken und Träumen anregt. Grenzenlose
Gedanken(spiele) über die Abgründe einer ländlichen Gesellschaft,
eine tiefschwarzen Familiengeschichte und ein Mädchen, das sich
nichts gefallen lässt und nach jedem Schlag in die Magengrube wieder
aufsteht und weiterkämpft. Eine Art Superheldin, die ein
pyrotechnisches Feuerwerk von ambivalenten Bildern leidenschaftlich,
derb und klug und ohne Kompromisse abfeuert.
Eine zusätzliche
Finesse des Buches ist, dass die einzelnen Kapitel nach Gemälden
benannt sind. Adler verleiht so dem Ganzen einen weiteren wunderbaren
Impuls, der von großem Wissen und Liebe zum Detail zeugt. Mein
feministisches Herz wurde von der Infantin im Sturm erobert und so
bleibt beim Lesen des letzten Satzes nur die Hoffnung, dass Adler
bald wieder eine Geschichte schreiben wird, die sich gewaschen hat.
Ines Schnell
Helena Adler: Die Infantin trägt den Scheitel links. 186 Seiten, Jung und Jung, Salzburg/Wien 2020, EUR 20,00