Mürztal-Porträt: Multimedial und poetisch

Trafotürme, Trassen und Tristesse. Schmucklose Einfamilienhäuser in gelb, blau, rosa. Ein rotes Bar-Schild, unbeleuchtet. Minigolfanlage und Pilgermarterl sind grau, skurril die Kreisverkehr-Skulpturen und Sportplatz-Stillleben. Bild für Bild: menschenleere Ortsporträts. Erst unheimlich, dann schön: „Schön ist es anderswo / Hier ist es anders schön“ lauten Textzeilen, die auch als eindringlich vertonte Lieder auf der angefügten CD zu hören sind. Inspiriert von historischen Materialien und aktuellen Gesprächen: mit Dagebliebenen, Zugereisten, Weggezogenen. Unterschiedliche Generationen, Perspektiven, Realitäten – in Zeiten von Landflucht, Lockdown und der Sehnsucht nach der weiten Welt: „Sicher, aber nicht gebunden / Sicher nicht angebunden / Die Heimat lässt mich ziehen“. Mit Heimat, Zugehörigkeit, Identität setzt sich das Gemeinschaftswerk „Inventar der Gegend“ auseinander. Im Auftrag des Brücken-Festivals, realisiert mithilfe von Crowdfunding. Vom Kleinen zum Großen eben. Das steirische Mürztal ist Ausgangs- und biografischer Schittpunkt des Autor*innen-Trios Angelika Reitzer (Lyrik), Ditz Feyer (Fotografie) und Maria Gstättner (Komposition). Nichts ist hier „Begleiterscheinung“: Texte, Bilder und Musik vermitteln – in ihrer sinnlichen Verwobenheit – eigenständige Zugänge, Beiträge zu Lebens-Fragen, die weit über das Mürztal hinaus beschäftigen. „Gegend heißt Gegenwart / Lasse dich ein“, formuliert Reitzer in einem Gedicht. Wer sich einlässt, darf ein Geschenk empfangen.

Nina Kreuzinger

Ditz Feyer, Maria Gstättner, Angelika Reitzer: Inventar der Gegend. 112 Seiten, Edition Kürbis, Wies 2020 EUR 30,00