Nicht-menschliche Protagonistinnen

Was erhofft sich die ausgesetzte Hündin, was denkt sie sich, wenn ein Auto wie das ihrer früheren Familie vorbeifährt? Wann wird ihr klar, dass sie verlassen wurde? Und wie spiegeln sich Klischees über Frauen und ihre Reproduktionsfähigkeit im Umgang mit Tieren? Konsequent aus der nicht-menschlichen Perspektive erzählt María Ospina Pizano über Wahrnehmungen unterschiedlicher Lebewesen, etwa von eben jener Hündin, die am Zaun vor einem Café festgebunden wird, damit sie den Menschen nicht folgen kann, bei denen sie bis dahin gelebt hat. Auch die Zugvögel, diese Wunderwesen mit unbeirrbarem inneren Kompass gehören zu den Protagonist*innen des Buches. Die Autorin hat zu Erinnerung, Gewalt und Natur in der kolumbianischen Kultur geforscht und setzt ihre Erkenntnisse brillant in Szene. Sie zeichnet ein eindringliches Bild der mehr als menschlichen Welt, die doch so beeinflusst und beeinträchtigt von den Bestrebungen der Menschen ist. Rücksichtsloses menschliches Imponiergehabe, die spiegelnden Glasfassaden etwa, setzt sie zu den Tausenden von Vögeln, die sich jedes Jahr daran das Genick brechen. Frei von Sentimentalität und eben deswegen um so klarer schafft sie einen Zugang zu Erfahrungen nicht-menschlicher Lebewesen und inspiriert zu etwas präziserer Analyse in Verbindung mit genauerem Einfühlungsvermögen.
Susa
María Ospina Pizano: Für kurze Zeit nur hier. Aus dem Span. von Peter Kultzen, 208 Seiten, Unionsverlag, Zürich 2025 EUR 22,70