Phantastische Erzählungen
Der Erzählband der argentinischen Schriftstellerin Mariana Enríquez ist vieles, nur nicht langweilig: Die unterschiedlichen Geschichten handeln von Drogenexzessen, Häusern, in denen es spukt, Geistern der Vergangenheit, Kindsmord und anderen aufregend-schaurigen Themen. Dabei schreibt Enríquez stets aus der Perspektive der involvierten Frauen und Mädchen, deren Charakteren sie durch ihre anregende Erzählweise starke Konturen verleiht. Die Autorin vermag es, trotz oder gerade wegen ihrer lockeren, streckenweise sogar vulgären Sprache, eine dichte Atmosphäre zu erzeugen, die die Leserin vom ersten Wort an in ihren Bann zieht. Die mysteriösen Wendungen der Geschichten sind teilweise derart eindringlich unheimlich, dass man während des Lesens verstohlen über die Schulter schaut, ob dort nicht etwa eine unbekannte Gefahr lauert. Jedoch werden sie in einer Nüchternheit erzählt, die den Horror plausibel erscheinen lassen, so unerklärlich er auch daher kommen mag. Und trotz ihres phantastischen Charakters enthalten die Erzählungen immer Beschreibungen der gesellschaftlichen Realität Argentiniens, mit besonderem Fokus auf das Stadtleben Buenos Aires‘. Wer Unheimliches mag und sich manchmal ein bisschen nach einem, vielleicht nur vorgestellten, Lateinamerika sehnt, dem sei dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt.
Rebecca Strobl
Mariana Enriquez: Was wir im Feuer verloren. Aus dem argent. Span. von Kirsten Brandt. 238 Seiten, Ullstein, Berlin 2017 EUR 18,50