Realitätsgerechte Sprache

Dieses Buch erklärt das Einfache und Naheliegende so eindringlich wie witzig, denn die hier veröffentlichten Leserinnen-Briefe haben das Zeug zu einem Kabarett-Programm: „Für wie maßlos dumm halten Sie denn Ihre Leserinnen und Leser, dass Sie meinen, aus Gründen der leichteren Konsumierbarkeit auf eine realitätsgerechte Darstellung der Wirklichkeit verzichten zu müssen?“ Antwort: „Ich handhabe das so, dass ich manchmal die weibliche Form verwende, manchmal die männliche. In diesem Fall nur männliche, das stimmt, ist nicht sehr schön.“ Es geht in diesem Buch in vier Kapiteln und einem Resümee um zwei Anliegen, die die Poetik-Dozentin und Dichterin Schrattenholzer auf den Punkt bringt: Um Feminismus, eine gendergerechte Sprache, aber gleich einen Schritt weiter, um eine realitätsgerechte Sprache. Das ist ganz einfach eine Benennung frei von Autoritäts- und Machtansprüchen außersprachlicher Autoritäten.

Schrattenholzer schlägt eine Weltenteilung der Welten der Wirklichkeit und ihrer Beziehungen zur Sprache in deren Funktion vor: eine Außenwelt W1, eine Innenwelt W2 und in eine „darüber-hinaus-Welt“ der Poesie, W3. Für W1 müssen wir die Ansprüche der realitätsnahen also auch gendergerechten Benennung fordern. W2 ist nach Schrattenholzer eine nicht beweisbare Welt der Gefühle, des Geschmacks, der Einschätzung und beschäftigt sich mit Begriffen, die uns in religiösen oder autoritären Denksystemen als W1 vorgesetzt werden. Irene Suchy 

Elisabeth Schrattenholzer: MACHT macht SPRACHE. SPRACHE schafft WIRKLICHKEIT. Für ein Fundament ohne Fundamentalismus. 224 Seiten, LIT Verlag, Berlin-Münster-Wien-Zürich-London 2015  EUR 29,90