Regelsysteme und Einhörner
In Rückblenden erzählt die 25jährige Anelija, als sie schwanger ist, ihrem Geliebten ihr bisheriges Leben. Sie wächst unter ärmlichen Verhältnissen bei den „Babas“, ihrer Groß- und Urgroßmutter, in Sofia auf. Die politische Repression ist spürbar. Ihre Mutter hat sie, als sie 5 Jahre alt war, verlassen, um sich ein neues Leben in Deutschland aufzubauen. Ihr Vater ist unbekannt. Die Briefe der Mutter ermuntern sie, Deutsch zu lernen. Gefördert von einer Lehrerin und Bibliothekarin schafft sie den Weg ins Gymnasium. Nach der Matura flieht sie 1987 nach Deutschland zu ihrer Mutter, damit sie Deutsch studieren kann. Die Beziehung zu ihrer Mutter bleibt oberflächlich, aber sie kann ihren Traum zu studieren mit Erfolg erfüllen und fühlt sich in der neuen Welt akzeptiert. Die historischen Zeit- und Handlungsebenen (vor und nach der Wende 1989) werden dadurch verdichtet, dass neben dem Haupterzählstrang das Leben des bulgarischen Schriftstellers Georgi Markow, der 1978 im Auftrag des bulgarischen Präsidenten in London ermordet wird, eingeflochten wird. Der Roman versucht neben der Kritik an den politischen Verhältnissen im vormaligen Bulgarien auch Kritik an einer verwertungsorientierten Gesellschaft in Deutschland, wo der Konsumrausch über Gefühle triumphiert, zu üben. In dem einen Land Unfreiheit mit Emotionen, im anderen Freiheit mit Konsumzwang, der zur Leere führt. ML
Stefanie Gregg: Duft nach Weiss. 320 Seiten, Pendragon, Bielefeld 2016 EUR 15,00