Reise in Vergangenheit und Jetzt

Noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurden im alpinen Gebiet Kinder zwischen 5 und 15 Jahren von verarmten Bauernfamilien an reiche Höfe im Schwabenland für harte landwirtschaftliche Arbeit „überlassen“. Diese sogenannten Schwabenkinder wurden über 200 Jahre und über das Verbot 1918 hinaus als Arbeitskräfte verkauft, ausgebeutet, geschunden, gedemütigt, vergewaltigt und mitunter auch umgebracht. Deren Schicksal hat Romina Casagrande ihren ersten Roman gewidmet, in dem die inzwischen betagte Edna Weiss sich auf den Weg macht, ihren Kindheitsfreund Jacob Kneip zu besuchen. Mit diesem war sie in den 1930er Jahren unter grausamsten Bedingungen auf einem dieser Höfe tätig, von dem sie gemeinsam fliehen wollten – die dauernde Angst der Kinder ist dabei eindrücklich geschildert. Eine zentrale Rolle spielt der Papagei Emil, den Edna nun, in den 2020er Jahren, Jacob zurückbringen möchte. Abwechselnd zu Rückblenden über die Vorfälle auf dem Hof wird ihre Reise zu Fuß, ausrüstungs- und mittellos über den Arlbergpass nach Ravensburg geschildert. Daraus ergeben sich einige Spannungsmomente, dennoch wird die Lektüre bald langwierig, wenn mit Vorhersehbarkeit diese Frau samt Vogelkäfig über 400 Seiten ein Abenteuer nach dem anderen erlebt und stets im richtigen Moment auf helfende Menschen (fast alles coole Männer*) trifft. Und am Schluss werden dann noch einige andere Lebensfragen von Nebenfiguren gelöst. Auch sprachlich überzeugt mich das Buch nicht, so sehr die Historie darin berührt.
 Meike Lauggas
Romina Casagrande: Als wir uns die Welt versprachen. Aus dem Ital. von Katharina Schmidt und Barbara Neeb. 477 Seiten, Krüger-S. Fischer, Frankfurt/M. 2021, EUR 22,70