Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
Julia Riegler legt mit diesem Buch eine umfangreiche, detaillierte und hochinteressante Studie vor, welche die Thematik der chronischen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr aus dem Blickwinkel einer feministischen Wissenschaftskritik analysiert. Grundsätzlich beschäftigt sie hierbei die Frage: Wie entstehen sexuelle Normen, die schmerzhafte Erfahrungen beim Geschlechtsverkehr bedingen können? Sie präsentiert biografische Einzelstudien, welche durch die Befragung mit Frauen entstanden, die sich von der Thematik „Schmerzen beim Sex“ betroffen fühlten. Zentral für ihre Fragestellung ist unter anderem die Tatsache, dass ein Großteil der befragten Frauen angab, weiterhin eine koitale Praxis aufrechterhalten zu haben, obwohl sie diese als schmerzhaft empfanden. Es wird bei den Betroffenen davon gesprochen, keine „richtige Frau“ mehr zu sein und sich „geschlechtslos“ zu fühlen, wenn die Involvierung in eine koitale Praxis nicht mehr möglich wäre. Chronische Schmerzen beim Geschlechtsverkehr können laut Riegler nicht isoliert von der sozialen Praxis der heteronormativen Sexualität betrachtet werden. Auch die Dynamiken der partnerschaftlichen Interaktion innerhalb der Konstruktion der heterosexuellen Mann-Frau Partnerschaft müssen herangezogen werden.
In diesem Rahmen entstand spannender, empfehlenswerter Lesestoff für ExpertInnen und Laien, welcher die Ordnung heteronormativer Geschlechterverhältnisse in Frage stellt und das Phänomen der chronischen koitalen Schmerzen in ein neues Licht rückt.
lena
Julia Riegler: Wenn Sex schmerzt. Biografische und soziale Genese einer sogenannten „Sexualstörung“. 539 Seiten, Psychosozial Verlag, Gießen 2015 EUR 59,90