Schmerzhafte Verbindung

„Zu behaupten, ich hätte mich niemals über das Leid meiner Mutter gefreut, wäre eine glatte Lüge“. So beginnt Bitterer Zucker von Avni Doshi. Das Erstlingswerk der Autorin widmet sich auf schonungslose Art einer schwierigen Mutter-Tochter Beziehung: Antara ist verheiratet, Mitte 30 und Künstlerin. Ihre Mutter Tara hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Als Tochter aus gutem Haus bricht die eigensinnige Frau mit den gesellschaftlichen Regeln der indischen Oberschicht, verlässt ihren Mann und wird im Ashram die Geliebte eines Gurus. Als auch diese Verbindung schief geht, lebt Tara als Bettlerin auf der Straße. Immer mit dabei ist ihre Tochter Antara. In zahlreichen Rückblenden erinnert sich diese an die Vernachlässigungen durch die Mutter, die Übergriffe im Ashram oder das Leben in Armut. Jetzt ist Tara eine alte Frau mit beginnender Demenz und Antara muss sich um sie kümmern. Jedes Anzeichen von Taras Verfalls löst Abscheu in Antara aus. Dennoch ist das Band zwischen Mutter und Tochter unauflösbar. Erst als Antara selbst eine Tochter auf die Welt bringt, ändert sich die Perspektive.
Ute Fuith
Avni Doshi: Bitterer Zucker. Aus dem Engl. von Frauke Brodd. 352 Seiten, btb, München 2021 EUR 12,40