Sich wachwaschen mit Klang
Sophie Reyer aus Wien, 1984 geboren, ehrt in ihrem Lyrikband 100 verschiedene Komponistinnen von der Antike über das Mittelalter bis zur Neuzeit. Viele der Musikerinnen sind nicht oder weniger bekannt, andere vielleicht ein Begriff, aber vergessen oder weitgehend unterschätzt und somit kaum erwähnt. Die Liste reicht von der antiken Sappho über Hofkomponistinnen und Damen aus dem GroßbürgerInnentum bis zu Filmmusikkomponistinnen und neuzeitlichen Sängerinnen. Frauen, für die Musik Erfüllung und Entfaltung, Trost und Transzendenz bedeutet, durch die „Bäume auf Zungen wachsen“ und „dem Tod Angst gemacht wird mit Klängen aus fast nichts“. Sophie Reyer bringt uns diese Frauen mit kurzen Gedichten in Erinnerung und zeigt sich bei ihrer Hommage immer wieder als Überraschungskünstlerin, die Experimente im sprachlichen Raum liebt. Frau (vielleicht auch Mann) bekommt Lust, mehr über das Leben der Künstlerinnen zu erfahren und somit einen besseren Bezug zu Reyers lyrischen Anspielungen zu gewinnen, die oft rätselhaft daherkommen, sich aber feinfühlig und phantasievoll lesen. Geheimnisvolle Worte wie Ichsplitter, Goldinsekten, Blätterwüste oder Gesichtsschaukeln stellen einen lyrischen Bezug her, und in manchen Gedichten erklingt ein besonderer Rhythmus, etwas Musikalisches, das der Musikalität der Komponistinnen entspricht. Die poetische Stimmung verlockt dazu, die kurzen Gedichte häufiger in sich hineinzulassen und zu verinnerlichen und diese „Musica Femina“ genussvoll zu verkosten.
Susanne Niebler
Sophie Reyer: Musica Femina. 100 Komponistinnen in 100 Gedichten. 119 Seiten, Edition Keiper, Graz 2021 EUR 18,00