Sieg durch Unterhaltung
Viel wurde bereits über den Zweiten Weltkrieg geforscht und geschrieben, über die zentrale Rolle der Truppenbetreuung und der Funktion von Musik als der „deutschesten der Künste“ in der Kriegsführung ist jedoch bislang wenig bekannt. Soldaten der Wehrmacht sollten durch Abwechslung, Ablenkung und Entspannung „bei Laune gehalten“ werden. Zum Zwecke der Erhöhung der Kampfmoral und Kampfbereitschaft wurden diverse kulturelle Maßnahmen gesetzt und Strategien entwickelt: es gab wehrmachtsinterne Spielgruppen, Gesang wurde als zentrales Instrument psychologischer Stimmungsmache genutzt, Künstlerinnen leisteten durch Veranstaltungen wichtige performative und propagandistische Dienste. Aus akteurszentrierter und gendersensibler Perspektive beleuchtet die Autorin das kulturelle musikbezogene Handeln der Wehrmacht. Sie skizziert beispielsweise die spezifische Rolle von Musikerinnen als idealisierte „deutsche Frauen“ und beschreibt die identitätspolitische Dimension des Männergesangs für die NS-Ideologie. Aufbauend auf einer Fülle an Quellenmaterial (Feldpost, Erinnerungsberichte, archivalische Primärquellen) gelingt ihr dabei eine ausführliche historiographische Darstellung, die jedenfalls zu Erkenntnisgewinn und dem Schließen dieser Forschungslücke beiträgt.
Maria Hörtner
Heike Frey: Lili Marleen hatt’ einen Kameraden. Musik in der Wehrmacht-Truppenbetreuung 1939-1945. 398 Seiten, Waxmann Verlag, Münster 2020, EUR 41,10