Starke Erinnerungen

Frankreich und Japan gelten als Trendsetter für Comics und gezeichnete Romane. Langsam schwappt die erzählerische Form der Graphic Novel auch in den deutschsprachigen Raum über. Völlig zurecht entsteht durch die Erzählform der doppelten Autorinnenschaft von Wort und Bild doch eine neue Ebene der Wahrnehmung. Mit Fußnoten gelingt Nacha Vollenweider ein tiefgründiges Debüt, dessen Tuschzeichnungen in ihrer nüchternen Ästhetik eine große Kraft entfalten. Fußnoten erzählt von einer jungen Frau, die im Zug durch die Vororte von Hamburg fährt. So weit so alltäglich. Doch im Laufe der Fahrt erinnert sie sich an ihre Heimat Argentinien, an ihren Großvater, der Tango liebte, an ihren Cousin, mit dem sie im Kinderzimmer Theatervorführungen gab. Der Zug rattert durch Norddeutschland und gleichzeitig durch die Lebenslandschaften der Protagonistin. Die Betrachtungen der deutschen und argentinischen Geschichte überlagern sich immer mehr und entwickeln einen eigenen Sog, in dem sich die Zeit irgendwann aufzulösen scheint. Im Spannungsfeld von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft blickt man auf die Militärdiktatur der siebziger Jahre in Argentinien, das Europa der eintreffenden Flüchtlinge bis hin zur Ehe für alle. Ein innerer Monolog, der in Bild und Text die Suche nach der eigenen Identität in meisterhafter Form wiedergibt.
Christiane Varga
Nacha Vollenweider: Fußnoten. 205 Seiten, Avant Verlag, Berlin 2017 EUR 20,60