Theatrale Fundierungen von Geschlecht

Beate Hochholdinger-Reiterer geht in diesem Buch jenen geschlechtlichen Codierungen nach, die sich in der „Erfindung“ der Schauspielkunst als Kunst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts manifestieren. Dabei möchte sie insbesondere die Widersprüche und Brüche herausarbeiten, die sich im Zuge der Umstrukturierungen des Theaters gerade an Männlichkeits- oder Weiblichkeitszuschreibungen zeigen lassen. Die Arbeit gliedert sich in drei große Teile, in denen jeweils zentrale Debatten anhand zahlreicher theatertheoretischer Texte und anderer Primärzeugnisse diskutiert werden. Der erste Teil zeichnet die Literarisierung des Theaters im 18. Jahrhundert nach, im Zuge derer die Schauspielkunst zunehmend theoretisiert und zu einer rationalisierbaren „männlichen“ Kunst wird. Im zweiten Teil arbeitet die Autorin heraus, wie der Schauspieler Conrad Ekhof in den Gründungserzählungen zur neuen Schauspielkunst als Vaterfigur mythisiert wird und so bürgerliche Familienideale in Theatertheorie und -praxis Einzug halten. Im dritten Teil werden diese Entwicklungen mit der Etablierung des Nationaltheaters kurzgeschlossen und organologische Theatertheorien bis ins 20. Jahrhundert weiterverfolgt. Die differenzierte Darstellung der verschiedenen Geschlechtercodierungen verdeutlicht, wie vielfältig und widersprüchlich Geschlechterdiskurse im Theater des 18. Jahrhunderts ausgetragen wurden. Insofern wird das Buch seinem in der Einleitung formulierten Anspruch jedenfalls gerecht. Kordula Knaus

Beate Hochholdinger-Reiterer: Kostümierung der Geschlechter. Schauspielkunst als Erfindung der Aufklärung. 472 Seiten, Wallstein Verlag, Göttingen 2014  EUR 51,30