Tyrannische Geduld
Motivation zum Schreiben entsteht bei Leïla Slimani aus dem Wunsch, die eigenen Ängste zu erkunden und zu bannen. In ihrem Roman über eine Frau in Paris, die scheinbar wahllos nach Liebhabern sucht, diese meist schnell wieder vergisst und sich erneut auf die Suche begibt, thematisiert sie die Angst vor lähmender, düsterer Langeweile. In der Figur der Adèle, einer Journalistin, verkörpert sich Verachtung des eigenen bourgeoisen Lebensstils. Sie ist die Frau eines erfolgreichen Chirurgen, der ein erotisch völlig unbegabter Mann ist. Die Protagonistin versucht verzweifelt, der Ödnis ihres Daseins und ihrer Ehe zu entkommen. Die Begegnungen mit fremden Männern werden zur Obsession, bleiben aber fast immer die Erfüllung schuldig, die sie sich vorher ausmalt. Sie beschließt dann, sich zu ändern, nur um nach ein paar Tagen erneut loszuziehen und sich irgendeinen Mann zu suchen, der sie begehren soll. Besonders lustvoll gestaltet sich all dies nicht, und das gilt in der Folge auch für das Leseerlebnis. Der Debutroman der mittlerweile sehr bekannten marokkanisch – französischen Autorin ist im französischen Original bereits 2014 erschienen. Sie selbst bezeichnet die Figur der Adèle als „überspannte Metapher für die Sexualität junger Marokkanerinnen“. Susa
Leïla Slimani: All das zu verlieren. Aus dem Franz. von Amelie Thoma. 224 Seiten, Luchterhand, München 2019, EUR 22,70