Über polnische Äcker streunend

In 24 kurzen Kapiteln schreibt Wioletta Greg über das Aufwachsen der kleinen Wiolka, Wiolitka, Loletka, Maad… im Polen der 1970er und 80er Jahre. Da wird sie in einem windschiefen Haus mit Mutter, Vater und Großeltern groß, sammelt Etiketten von Streichholz­schachteln, beobachtet ihren Vater beim Ausstopfen von Tieren, hängt ihr Herz an den Kater Blacky und macht sich ihren Reim auf das Verhalten von Erwachsenen. Im kleinen Hektary sind die jeweiligen Episoden angesiedelt, die zusammenhängen und chronologisch geordnet sind, die Bezeichnung „Roman“ vermag da zu überraschen. Er zeichnet sich jedenfalls durch eine grandiose Poetik der Sprache und Intensität von Bildern aus: Greg schreibt mit kindlicher Unmittelbarkeit über die Aufregungen angesichts der vermeintlichen Durchreise des Papstes, über Kriegserzählungen, über sexualisierte Übergriffe, wie sie „keine Schande“ machen soll und die Fahrt zum Wochenmarkt, um Eimer voller Kirschen zu verkaufen. Mit großer Präzision erzählt sie über den vollgepackten Bus, ausrinnende Säfte und „schwere, klebrige Stunden“ angesichts ihrer Armutsscham. Jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen und so ausdrucksstark, dass Pausen und langsames Lesen sinnvoll wären. Es ist jedoch schwierig, die Schilderungen aus Wiolkas Sicht aus der Hand zu legen, in denen so viel Lebendigkeit und Aufmüpfiges durchschillern.

Meike Lauggas

Wioletta Greg: Unreife Früchte. Aus dem Poln. von Renate Schmidgall. 143 Seiten, Verlag C. H. Beck, München 2018 EUR 19,50