Venus-Kunst: Just another Pin-Up Girl?
Ein Buch, das auf 600 Seiten 40.000 Jahre Venus-Kunst beinhaltet. Bisherige Archäologie wurde lange nur von Männern gemacht und damit aus einem männlichen Blickwinkel betrachtet. Die holländische Historikerin Annine van der Meer möchte einen anderen Zugang zur sonst meist sexualisiert interpretierten weiblichen Kunst bieten – und damit herstory statt history erzählen. Sie vergleicht die 10 Eigenschaften und 13 Körperhaltungen der steinzeitlichen Venus-Kunst mit den späteren Kulturen und dem Nahen Osten. Und sie sieht Venus-Kunst als Urmütter-Kunst, deren System weiblicher Symbole überall auf der Welt vorkommt. In der Altsteinzeit wurden die Mutterfiguren in ihrer Nacktheit, detailliert mit Vulva und Schamhaaren, dargestellt. Ein berühmtes Beispiel ist die Venus von Willendorf (im Naturhistorischen Museum ausgestellt). Entdeckt im prüden viktorianischen 19. Jahrhundert bekam dieser Typus den Namen „Venus“ – nach der Göttin der (erotischen) Liebe. Auch heute finden sich solche Interpretationen: So wurde die 2008 in Deutschland gefundene, 40.000 Jahre alte „Venus vom Hohle Fels“ als „prähistorisches Pin-Up“ bezeichnet. Im Griechenland des 4. Jahrhunderts wandelten sich die Darstellungen: die weiblichen Geschlechtsteile werden versteckt, während die männlichen detailliert gezeigt werden. „Venus“ wird mädchenhaft, unschuldig und wehrlos. Das Buch beinhaltet auch eine Checkliste zur Analyse der Venus-Kunst in Museen – auf zur etwas anderen Entdeckungsreise!
Renate Vodnek
Annine van der Meer: Die Sprache unserer Ursprungs-Mutter MA. 664 Seiten, Christel Göttert Verlag, Berlin 2020, EUR 72,00