Verhütung im Vergleich
Der Sammelband „Wenn die Chemie stimmt“ enthält deutsch- und englischsprachige Beiträge, die sich einerseits der „Kulturgeschichte der Fertilität“, andererseits „Geschlechterbeziehungen und Geburtenkontrolle im Zeitalter der Pille“ widmen. Der (Unter-)Titel ist allerdings etwas irreführend: Über weite Strecken behandelt der Band gar nicht spezifisch „die Pille“, die vielmehr als „deutscher und westeuropäischer Sonderweg“ erkannt wird, sondern liefert Ein- und Überblicke über (staatliche) Reproduktionspolitiken in Deutschland und mehreren osteuropäischen Ländern. Einige außereuropäische Beispiele (USA, Argentinien, Brasilien, Südafrika, Türkei, China) tragen dem globalen Anspruch Rechnung. Wer – wie die Rezensentin – ganz neu zum Thema kommt, lernt viel. Nicht zuletzt, dass die Pille auch in Europa keineswegs allgemein verbreitet ist/war, sondern in großen Teilen des damaligen ‚Ostblocks‘ kaum verfügbar war. Spannend ist auch der Vergleich der beiden Teile Deutschlands, der der westdeutschen „Anti-Baby-Pille“ die ostdeutsche „Wunschkindpille“ gegenüberstellt. Umgekehrt zeigt sich an diesem Punkt auch eine Schwäche des Sammelbandes: den fokussierten Beiträgen zu Deutschland und den USA, die durch lebensgeschichtliche Interviews auch Perspektiven einiger Nutzerinnen einbringen, stehen in Bezug auf die anderen behandelten Länder meist Überblicksdarstellungen gegenüber, die sich weitgehend auf staatliche Bevölkerungspolitiken beschränken.
Stefanie Mayer
„Wenn die Chemie stimmt …“ Geschlechterbezie hungen und Geburten kontrolle im Zeitalter der „Pille“. Gender Relations and Birth Control in the Age of the „Pill“. Hg. von Lutz Niethammer und Silke Satjukow. 423 Seiten, Wallstein, Göttingen 2016 EUR 41,10