Von Chikago nach Chicago
Chikago ist ein Ortsteil von Kittsee im Burgenland, nahe der Grenze zu Ungarn und der Slowakei. Zwischen den Weltkriegen kam es zu einer massenhaften Auswanderung von Menschen aus dieser Grenzregion „ins Amerika“, genauer nach Chicago. Theodora Bauer lässt uns diese Phase sehr intensiv miterleben, indem sie die Geschichte der Roma-Schwestern Katica und Anica und von Feri, Katicas Freund, erzählt. Feri möchte auswandern, eigentlich alleine, aber Katica ist schwanger und er versucht sie in der letzten Minute noch auf illegalem Weg mitzunehmen. Das geht nicht gut, aber Anica kann die Lage retten, um den Preis, dass auch sie auf die lange Reise mitkommt. In Chicago lebt bereits Feris Bruder mit seiner Frau Maria, eine kleine Stütze für die Neuankömmlinge. Aber das Leben wird nicht besser, ganz im Gegenteil. Katica stirbt bei der Geburt, Feri ergibt sich dem Alkohol und stirbt ebenfalls kurz darauf. Anica kümmert sich mit Marias Hilfe um das Kind, den Buben Josip, oder Joe, wie er sich später nennt. Sechzehn Jahre später kehrt Anica mit Joe, inzwischen Josef, wieder ins Burgenland zurück. Hier haben aber die Nazis bereits begonnen Fuß zu fassen. Was Theodora Bauers Roman beim Lesen schnell klarmacht, ist, dass die durch die Migration erhoffte Besserstellung im Leben in den meisten Fällen nicht eintritt, die mitgebrachten Probleme nicht verschwinden, und eine Heimkehr auch keine Lösung ist. Ein sehr klares und auch deprimierendes Buch – sehr zu empfehlen.
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Theodora Bauer: Chikago. 256 Seiten, Picus, Wien 2017 EUR 22,00