Warum so viel Hass?
Eine Resonanzgruppe zum Thema Holocaust und dessen Entstehung war der Ausgangspunkt der Studie, die sich nicht nur mit historischer Kontextualisierung, sondern auch mit den traumatischen Nachwirkungen der nationalsozialistischen Weltanschauung befasst. Hitlers Werdegang wird nachgezeichnet, vor allem im Hinblick auf die Entwicklung seiner Gewaltbereitschaft. Die AutorInnen legen dar, wie der Plan, „unwertes Leben“ zu vernichten, schon seit den 20er Jahren, also bereits während der Wiener Zeit, ein immer fixerer Bestandteil des Weltherrschaftsplans wurde. Mit dem titelgebenden „Furor“ in Verbindung steht die Auffassung von „fataler Männlichkeit“: dass ein Mann sich stets im Krieg befinden müsse. Die Reaktionen der Gesellschaft der 30er Jahre, durch deren Einverständnis, oder fehlenden Widerstand, der Aufstieg des Tyrannen erst erreichbar war, werden zu wenig in den Blick genommen. Ein Ansatzpunkt zum weiblichen Beitrag der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft findet sich in den Textstellen, die zeigen, wie es immer wieder Frauen aus gehobeneren sozialen Schichten waren, die dem machtstrebenden Provinzler die Türen zur einflussreichen urbanen Gesellschaft öffneten. Genaueres zu diesen ErmöglicherInnen, die nach den AutorInnen eine „kollusive Weiblichkeit“ verkörperten, kommt nur peripher vor. Vermisst wird auch eine klarere Positionierung der eigenen Vorfahren, sofern sie in dieser Zeit erwachsen und mitverantwortlich waren. Dennoch lohnenswerte, aber schwere Lektüre.
Susa
Lerke Gravenhorst, Ingegerd Schäuble, Hanne Kircher, Jürgen Müller-Hohagen, Karin Schreifeldt: Fatale Männlichkeiten – Kollusive Weiblichkeiten. Zur Furorwelt des Münchner Hitler. Folgen über Generationen.
324 Seiten, Marta Press, Hamburg 2020, EUR 44,00