Weibliches Selbstbewusstsein revisited

Rückgewinnung von weiblichem Selbstbewusstsein ist auch 2018 noch nötig: Was vor 20 Jahren als „Herrin im eigenen Haus“ erschien, liegt nun überarbeitet als „Mit dem Herzen der Löwin“ vor, worin die Psycho­therapeutin Julia Onken Frauen neuerlich Schritte zum selbstbewussten Frauenleben vorstellt. Leicht und gut nachvollziehbar spannt sie den Bogen von einer gesellschaftlich-strukturellen Abwertung von Frauen über die individuellen Erfahrungen mit der eigenen Mutter bis hin zur Selbstentwertung von Frauen, die sie an der Selbstentfaltung hindert. Onken nimmt Frauen mit auf die Reise in die eigene Vergangenheit, spart die Risiken nicht aus, wie neugewonnenes Selbstvertrauen das eigene Umfeld zu verstören mag und amüsiert mit knalligen Aussagen wie „Das herkömmliche Bild von Weiblichkeit (…) ist ein anderes Wort für Vollnarkose.“ Sie ermutigt zum Nein-Sagen, zur Lebensveränderung, zu positivem Bezug zu weiblichen Vorfahren und Feminismus, Frauengruppen und täglicher Selbstbestätigung. In ärgerlicher Widersprüchlichkeit zu ihrer Gesellschaftsanalyse sieht sie europäischen Willen zur Gleichberechtigung, der nun durch zugewanderte Kulturen samt Kopftuch unterminiert wird, die Abtreibung geriert zum Versuch, „Himmel und Hölle aus den Angeln zu heben“, Menstruieren lehrt Kontrolle abzugeben und Kritik an Alice Schwarzer ist geschichtsvergessene Undankbarkeit. Vieles an diesem Buch macht es empfehlenswert, einiges ist schmerzlich, sodass schließlich nur noch eine angemessene Auseinandersetzung von Onken mit neueren feministischen Positionen empathisch zu wünschen bleibt.
Meike Lauggas
Julia Onken: Mit dem Herzen der Löwin. Warum Frauen ihr Selbstbewusstsein verlieren und wie sie es zurückgewinnen. 223 Seiten, CH Beck, München 2018 EUR 15,40