Wenn Geschichten neu geschrieben werden
Aus der Sicht eines Kindes schildert Francesca Sanna die beschwerliche Flucht einer Familie aus einem Kriegsgebiet. Sie findet einfache und dadurch umso eindringlichere Worte, um etwas schwer Erklärbares für Kinder nachvollziehbar werden zu lassen. Worte, die im Gedächtnis bleiben und die Leserin betroffen zurücklassen. Was bedeutet Flucht? Hoffnung, Enttäuschung, Verzweiflung, Angst, aber auch Mut, Stärke und Zusammenhalt. Der lange Weg in eine unsichere Zukunft birgt nicht nur unüberwindbar erscheinende Hindernisse, die bewältigt werden müssen, sondern auch eine Fülle an Emotionen, die für Kinder schwer zu fassen sind. Die Autorin und Illustratorin Francesca Sanna schafft es, diese Gefühle in Bilder umzuwandeln, die auch für Kinder leicht verständlich sind. Die zunächst farbenfrohen Darstellungen werden vom immer größer werdenden schwarzen Nichts verschlungen, als der Krieg weiter voranschreitet. Und obwohl die Wächter an der Grenze den Kindern riesig und bedrohlich erscheinen, fühlen sie sich bei ihrer Mutter sicher. Ihre Liebe umhüllt sie wie ein Schutzmantel. Francesca Sanna sagt nicht, in welcher Region die Geschichte spielt, denn es ist nicht wichtig. Sie könnte überall auf der Welt in dieser Form passieren. Was bleibt von diesem Buch haften? Betroffenheit, Verständnis und eine Ahnung davon, wie es sich anfühlen muss, einen Ort zu suchen „an dem wir sicher sind und unsere Geschichte neu schreiben können.“ Christine Auer
Francesca Sanna: Die Flucht. Aus dem Engl. von Thomas Bodmer. 48 Seiten, NordSüd Verlag, Zürich 2016 EUR 18,50