Werdegang einer Patin

Madame Portefeux, jenseits der 50, gefragte Arabischdolmetscherin, betreibt einen ausgesprochen lukrativen Drogenhandel unter dem Decknamen „Die Alte“. Wie kam es dazu? Nun, Patience Portefeuxs Eltern waren im organisierten Verbrechen zu Hause. Patiences Ehemann starb, als sie 27 war und ließ sie mit zwei kleinen Töchtern zurück. Sie verlor ihre Wohnung, ihr Auto wurde gestohlen. Arbeit fand sie als Gerichtsdolmetscherin im Justizministerium, allerdings nur illegal beschäftigt. Die inzwischen verwitwete Mutter hatte bald das ganze Erbe verprasst und nun musste Patience auch noch für ihr Pflegeheim aufkommen. Aufgrund ihrer kreativen Übersetzungen in den Schnellverfahren junger, arabisch sprechender Dealer erwarb sie sich genug Wissen, um zu verstehen, wie die Sache laufen sollte, und zwar ohne dabei erwischt zu werden. „Die Alte“ ist ein ausgesprochen bissiger Roman, und das in vielerlei Hinsicht. Die Warnung des Verlags auf der ersten Seite, dass das Buch diverse politisch unkorrekte Ausdrücke enthält, die auch in der Übersetzung bewusst übernommen wurden, um den Sarkasmus der Autorin nicht zu entstellen, ist durchaus ernst zu nehmen. Die Heldin schafft es mit einem enormen Maß an Frechheit und – ja, durchaus Sarkasmus –, in einer Art Selbstjustiz verlogene Verhältnisse auszunutzen. Manche mögen das erfrischend finden, andere vielleicht nur folgerichtig.

Gabriele Mraz

Hannelore Cayre: Die Alte. Aus dem Franz. von Iris Konopik. 208 Seiten, Ariadne im Argument Verlag, Hamburg 2019, EUR 18,60