Wir brauchen die Menschlichkeit
Im Mittelpunkt der Studie steht die Debatte um verpflichtende Werte- und Orientierungskurse für Geflüchtete, die demokratische Prinzipien sowie Geschlechtergleichstellung vermitteln sollen. Während dies einerseits als notwendige Maßnahme zur sozialen Kohäsion gesehen wird, kritisieren andere, dass die Kurse dazu genutzt werden, kulturelle Differenzen zu betonen und Geflüchtete zu normieren. Die Analyse thematisiert demokratietheoretische Fragen nach dem Verhältnis von gesellschaftlichem Zusammenhalt auf einem gemeinsamen Wertefundament sowie der Vereinbarkeit universeller Prinzipien mit pluralistischen Gesellschaften. Zudem wird die politische Instrumentalisierung von Frauenrechten in Integrationsdebatten kritisch beleuchtet. Die Autorinnen plädieren dafür, in den Werte- und Orientierungskursen zwischen Verfassungsnormen und erwünschten Verhaltensweisen klar zu unterscheiden, anstatt beide Lernstoffe miteinander zu vermischen. Wird Alltagsverhalten nicht klar von Verfassungsnormen abgegrenzt, entstehen kulturelle Anpassungsforderungen, die Pluralität untergraben. Die Studie leistet einen essenziellen demokratiepolitischen Beitrag, indem sie das Spannungsfeld zwischen staatlicher Wertevermittlung und individueller Erfahrung kritisch beleuchtet. Die Autorinnen argumentieren, dass Integration nicht als Anpassung verstanden werden sollte, sondern als wechselseitiger Prozess, der auch gesellschaftliche Pluralität fördert und Geflüchtete als aktive politische Subjekte wahrnimmt.
Sibylle Pahola
Barbara Grubner, Monika Lengauer und Sabine Grenz: Integration durch Wertevermittlung. Zur demokratietheoretischen Bedeutung von Werten und Wertebildung 300 Seiten, Budrich, Leverkusen-Opladen 2024 EUR 39,90