Zwischen Salzburg und Venedig

Christine Haidegger beweist in ihrem aktuellen Erzählband einmal mehr ihre gute Beobachtungsgabe und Fähigkeit, auch in extrem konzentrierter Form ganze Leben zu erzählen. Manche Texte sind nur zwei Seiten lang, andere entwickeln ausführlichere Narrationen. Die Breite an Themen und Stimmungen ist groß, wobei ernste, berührende oder gar erschreckende – wie in der Geschichte eines Stalkers – die leichten, genießerischen überwiegen. Oft geht es um ein Feststecken in Routinen, die nur durch grobe Brüche verändert werden können, wie in der titelgebenden Geschichte „Nach dem Fest“, wo beide EhepartnerInnen in einer jahrzehntealten Beziehung ihre jeweiligen alles verändernden Schicksalsschläge um jeden Preis bis nach dem Weihnachtsfest mit den erwachsenen Kindern und den „traditionellen“ Konflikten verschweigen wollen. Oder auch in „Der Plüschhase“, wo es um das Leben mit einem Demenzkranken geht. Manche Erzählungen handeln vom Kindsein und Aufwachsen in der Nachkriegszeit, andere vom Fremdsein in unserer heutigen Gesellschaft. Ganz anders „Anna in Venedig“, das eine Übersetzerin für ein paar Arbeitswochen in ein sommerliches Venedig führt, wo sie dank ihrer ausgezeichneten Sprachkenntnisse abends die Stadt der Einheimischen erkundet und so eine unbekannte Seite der Touristenhochburg erfährt. Insgesamt ein wunderbarer Band, den ich gerne in mein Bücherregal aufnehme.

ESt

Christine Haidegger: Nach dem Fest. 176 Seiten, Otto Müller Verlag, Salzburg/ Wien 2018 EUR 20,00