Katholisches Aufwachsen in Polen
Eine junge Frau spaziert durch das kalte, regnerische Hamburg, bis ihr Blick an Souvenirgegenständen aus Muscheln hängen bleibt. Die Muscheln erinnern sie an die polnische Küste, den Zufluchtsort in ihrer Kindheit. Die Frau geht weiter durch Hamburgs Straßen und erinnert sich an Polen, ihre Eltern, die tiefreligiöse Oma, die unbequemen Möbel, die Kirchenorgel und die erste Beichte vor der Erstkommunion. Mit sehr wenig Text erzählt Magdalena Kaszuba über ihre Zeichnungen vom Aufwachsen eines Mädchens in dieser katholischen Gesellschaft. Hauptsächlich in schwarzer Kreide und schwarzem Aquarell vermittelt sie das Erleben der Kleinen. An wenigen Stellen kommen auch Farben vor, ansonsten wird das Schwarz/Weiß von einem schmutzigen (vatikanischen?) Gelb begleitet, in das das einschüchternde Schwarz immer wieder fließt. Es sind düstere Zeichnungen, die die Geschichte tragen, das geschriebene Wort steht nicht immer in unmittelbarem Zusammenhang dazu. Kaszuba gelingt es eindrücklich Stimmungen zu vermitteln und über sie zu erzählen. Muschelförmiges zieht sich als rettende Ressource fast unmerklich durch. Doch das Drama des katholischen Aufwachsens nimmt seinen von Schuld und Angst gekenn-zeichneten Lauf, das Mädchen bemüht sich redlich und kann nur scheitern. Hass erfüllt sie und ihre Befreiung hat einen hohen Preis. Die junge Frau in Hamburg denkt gehend über die Anteile ihrer Geschichte in sich nach, den Verlust durch die Distanzierung von der Kirche, den Hass, von sich als leeres Gefäß – und hinterlässt eine beeindruckte, nachdenkliche Leserin.
Meike Lauggas
Magdalena Kaszuba: Das leere Gefäß. 240 Seiten, Avant Verlag, Berlin 2018 EUR 20,60