„Als Oma hat man…“: Altsein & Geschlecht
Der gebrechliche Körper eines alten Menschen „wirkt wie eine Mahnung an die Vergänglichkeit“ und bildet die Abgrenzungsfolie zum eigenen „zunehmenden Körperbewusstsein“ junger Menschen, so eine zentrale Erkenntnis einer nun vorliegenden umfassenden Untersuchung von Altersbildern Jugendlicher in Südtirol. Die methodisch hoch interessante und ambitionierte Studie analysiert mittels dokumentarischer Methode Zeichnungen und Gruppendiskussionen Jugendlicher im Alter von 11 bis 15 Jahren. Altsein stellt jedoch nicht nur den negativen Gegenhorizont, sondern auch eine positiv konnotierte Kontrastfolie für junge Menschen dar, mit vielfältigem Potenzial zur Selbstreflexion. In drei methodisch anspruchsvoll rekonstruierten fallübergreifenden Mustern zur Wahrnehmung und Bedeutung von Altsein, verdichtet die Autorin Orientierungsrahmen, die zwischen Fremdheit, Abgrenzung und respektvoller Bewunderung changieren. Die zeichnerischen Darstellungen alter Frauen- und Männerkörper in deren je spezifischer sozialer Situiertheit erlauben Rückschlüsse auf gesellschaftlich wirkmächtige Geschlechtereinschreibungen. Ebenso zeigt sich in den rekonstruierten Erfahrungsräumen Jugendlicher ein Ringen mit den ambivalenten gesellschaftlichen Angeboten zu Geschlechterrollen und Geschlechtsidentitäten. Wer sich konkret für die dokumentarische Methode als analytisches Programm interessiert, findet in diesem Buch eine nahezu prototypische Umsetzung.
Helga Eberherr
Maria Gall Prader: Altsein, Generation und Geschlecht in Zeichnungen junger Menschen. Dokumentarische Interpretation von Bildern und Gruppendiskussionen. 421 Seiten, Budrich, Opladen-Berlin-Toronto 2017 EUR 51,30