Homobewegung & Homokunst
Was hat Kunst mit sozialer Bewegung zu tun? Ist sie Ausdruck von Protest? Kann sie Mittel sein, um soziale Kämpfe und gesellschaftlichen Wandel zu dokumentieren? Hat sie die Avantgardefunktion einer emanzipatorischen Ideenschmiede? Oder ist Kunst nur Dekomaterial oder Ersatzbeschäftigung in politisch mauen Zeiten? Oder Ausdruck von biedermeierlichem Rückzug in die wohligen vier Wände der Galerien?
Was homosexuelle Kunstproduktion mit der Homosexuellenbewegung zu tun hat, erschließen die Herausgeber_innen Carolin Küppers und Rainer Marbach im Band 6 der Edition Waldschlösschen zur Geschichte der Homosexuellen in Deutschland nach 1945. Die Autor_innen der 13 Beiträge bewegen sich zwischen bühnenreifer Travestie der 1870er und performativem AIDS-Aktivismus der 1980er, zwischen hermaphroditischer Literatur à la Ovids Metamorphosen und Wolfgang Tilmans queerer Jugendfotografie, zwischen „Mädchen in Uniform“ und – wie könnte es anders sein – dem Eurovision Song Contest. Verhandelt wird einerseits die Frage, wie Kunst und Bewegung einander gegenseitig beeinflussen; andererseits der Spagat zwischen Closet und Coming Out: Bietet Kunst einen geschützten Raum, in dem mensch endlich dem innersten Selbst Ausdruck verleihen kann? Oder soll sie im Gegenteil Vehikel sein für den Gang in die Öffentlichkeit, auf die Bühnen, in die Bücherregale, in den Mainstream? Ein Sammelband, in dem sich sowohl spannende Debatten als auch echte Schmankerl aus dem Archiv der queeren Künste finden.
Lisa Bolyos
Communities, Camp und Camouflage. Bewegung in Kunst und Kultur. Hg. von Carolin Küppers und Rainer Marbach. 260 Seiten, Männerschwarm Verlag, Hamburg 2017 EUR 24,70