Weltentwurf gegen verdorbenen Feminismus
Jessa Crispin will nicht nett und freundlich, gefällig und harmlos sein, bis Frauen als Menschen anerkannt und als solche behandelt werden. Ihre Absage ans Feministin-Sein bezieht sich auf einen „banalen, unbedrohlichen, disneytauglichen Oberflächenfeminismus“ bzw. „universalen Feminismus“. Dagegen wütet sie rasend und eloquent. Sie plädiert manifestgemäß für eine umfassende Revolution, die nicht am Vorhandenen kosmetisch herumbastelt, sondern neue Gesellschaftsentwürfe anstrebt: Menschen sollen in ihrer Unterschiedlichkeit und strukturellen Bedingtheit ernst genommen werden, in allem, was sie alltäglich tun und verantworten. Bei Feminismus geht es um die Verbündung mit den Marginalisierten, Entmachteten und schließlich um neue, menschliche Werte und Definitionen von Erfolg, Glück und Lebenssinn. Crispin greift kapitalistische und diskriminierende Verhältnisse an, nimmt dabei mitmachende Frauen in die Pflicht und erteilt der angepassten Veränderung von (frauen-, sprich menschenfeindlichen) Systemen von innen eine klare Absage. Die „kognitive Dissonanz“ zwischen dem Wissen um gesellschaftliche Zustände und individuellem Wohlbefinden gilt es produktiv zu machen, eigene Macht einzusetzen und Gesellschaft tagtäglich neu zu imaginieren, zu denken, umzugestalten. Crispin bezieht sich auf feministische Ahninnen, die es zu lesen gilt, fordert deren differenzierte Wertschätzung, um schließlich eine starke, unbequeme Feministin* zu werden. Dem USA-bezogenen Buch fehlt eigentlich nur eine sensiblere Übersetzung ins Deutsche.
Meike Lauggas
Jessa Crispin: Warum ich keine Feministin bin. Ein feministisches Manifest. Aus dem amerik. Engl. von Conny Lösch. 147 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2018 EUR 13,40