Frauen auf dem Podium der Geschichte

1919 als erstes Jahr nach dem Krieg ist kein Friedensjahr, es beginnt mit dem brutal niedergeschlagenen ProletarierInnenaufstand und den Morden an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Die Empörung darüber führt in allen gesellschaftlichen Bereichen zu Umbrüchen, die durch das neu in Kraft getretene Frauenwahlrecht zusätzlich bestärkt werden. Wir werden zu ZeitzeugInnen der Ereignisse rund um die Bauhausgründung in Weimar, den Aufsehen erregenden Dadaismus in Berlin und den Wirtschaftsaufschwung in Paris. Die Autorin versteht es, die Spannung über die Monate hindurch sowie zwischen Vergangenheit und zeitkritischen Betrachtungen aufrecht zu erhalten. Aus nicht näher bezeichneten Originaldokumenten wie Briefen und Tagebüchern berichtet die Autorin von Sorgen, Sehnsüchten und Ängsten der handelnden Personen, die uns auch heute noch bekannt sind. So übt sich zum Beispiel Käthe Kollwitz in Selbstzweifeln, Hannah Höch ringt um Anerkennung im männlich dominierten Dadaistenkreis und versucht, aus der leidvollen Dreierkonstellation auszubrechen. Marie Curie beeindruckt mit ihrer selbstlosen Lehr- und Forschungstätigkeit. Mitreißend ist Coco Chanels rasanter Aufstieg, überraschend die Geld- und Liebesnöte von Else Lasker-Schüler. Alma Mahlers Über­legungen über die Ehe regen zum Philosophieren an.
Die Lektüre des Buches lädt zum Weiterdenken und Fragen ein: Welche Vorboten finden sich schon 1919 für uns heute? Wie würden die Frauen von damals die gesellschaftlichen Veränderungen von heute nützen?
Paula Stegmüller
Unda Hörner: 1919 – Das Jahr der Frauen. 249 Seiten, ebersbach & simon, Berlin 2018 EUR 22,70