Feministisches Roadmovie

Aktionismus ist wichtig, weil er Spaß macht, das lehrt uns der neue Roman von Gertraut Klemm. Es beginnt tragisch, die langjährige Weggefährtin von Elvira stirbt, gerade in der Zeit, wo ihr neuester Roman auf der Shortliste des deutschen Buchpreises landet. Elvira soll sich nun um die Nachlassverwaltung kümmern und das lähmt sie vor Zorn, weil ihre Freundin zu Lebzeiten wenig Beachtung und Ruhm für ihr Werk erfahren hat. So begibt sich Elvira, die alternde Konzeptkünstlerin, stattdessen auf eine Stationenreise durch Österreich bis nach Italien. Der junge skeptische Kameramann Adrian begleitet sie als bezahlter Assistent, weil er Geld braucht. Und schon beginnt Elviras Rachefeldzug gegen patriarchale Kunst und Kultur. Gemeinsam verfremden sie phantasievoll öffentliche Denkmäler, um die dort dargestellte Männlichkeit zu persiflieren. Das gegensätzliche Paar findet dabei neben zahlreichen Kontroversen durchaus Zeit, sich anzunähern. Ein geistreicher, humorvoller Roman, der sich mit Kritik an der kulturellen Verwertungsindustrie nicht zurückhält, in der Frauen nach wie vor schwierigeren Bedingungen als Männer ausgesetzt sind. In Zeiten des Backlash erfrischend zu lesen, da zahlreiche Seitenhiebe auf patriarchale Maskulinität gemacht werden. Schließlich ist der Roman auch eine Reminiszenz an die blinden Flecken der 68er Bewegung und an deren politischen Praxisbegriff.
ML
Gertraut Klemm: Hippocampus. 381 Seiten, Kremayr & Scheriau, Wien 2019 EUR 22,90