Hühner sind Personen
Janet Holmes präsentiert in ihrem Buch Hennen und ihre Menschen, genauer gesagt, aus Legebatterien befreite Hennen und die Frauen, bei denen sie ihr restliches Leben verbringen. Sie kombiniert ästhetische und berührende Fotografien mit der Erzählung ihres Lebensweges. Dazu stellt sie Fakten, etwa diese: Die ursprüngliche wilde Henne produzierte im Frühling 20 Eier. In unserer zeitgenössischen Konsumgesellschaft hätte ein solch unproduktives Lebewesen keinerlei Lebensberechtigung. Selbst die Nachfahrinnen der wilden Hennen, die jedes Jahr Hunderte von Eiern legen, scheinen null Anspruch auf lebenswerte Zeit auf Erden zu haben. Immer noch verbringen sie ihr kurzes Dasein häufig eingesperrt. Auch die vermeintlich idealere Bodenhaltung hat wenig mit einer sogenannten „artgerechten Haltung“ zu tun. Die wenigsten Hennen schaffen es wegen ihrer Strapazen und Traumata über ihren 1. Geburtstag. Die Ausbeutung des weiblichen Hühnerkörpers entzieht diesem Calcium. Mit dem ständigen Eierlegen geht erhöhte Zellteilung einher, das Krebsrisiko steigt. Die puertorikanische Autorin thematisiert auch die Themen Essen und Konsum und zeigt den Einfluss der Kolonialisierung auf indigene Koch- und Lebensweisen. Dekolonisierung beginnt dort, wo es um Gemeinschaften geht, schreibt sie. Mit ihrem Gnadenhof hilft sie menschlichen BesucherInnen dabei, andere Arten als freie Personen wahrzunehmen. Einen Perspektivwechsel zu vollziehen: weg vom Tier als Konsumgut zum Wesen, das unsere Zuwendung verdient.
Susa
Janet Holmes: Nest. Rescued Chickens at Home. 120 Seiten, Kehrer, Heidelberg /Berlin 2020 EUR 36,00