Weiterleben

In diesem Roman geht es um das Aufwachsen in geborgenen Verhältnissen, in einer großen Gruppe von Freundinnen. Anna Stern erzählt von den Abenteuern des Alltags, die im Jetzt überschattet werden von Anankes Tod. Der langsame Erzählstil und die eigenwillige Form des Romans machen die Lektüre zu einem besonderen Erlebnis. Es ist die Verschmelzung von Zeit und Raum, von Trauer und Erinnerung, von Gegenwart und Vergangenheit, die das Buch prägt. Umso rasanter und überraschender erscheint das fulminante Finale, das zwar nicht den Trauerprozess beendet, aber zumindest die Freundinnen (wieder) verbindet. Es bleibt trotz der Verschmelzungen eine sperrige Form der Distanz, die beeindruckt. Diese entsteht besonders durch die emotionalen Dialoge der Hinterbliebenen, die aber allesamt auf einer Art Metaebene verharren, ohne wirklichen Austausch. Außerdem kommt der Text ohne Genus markierte Personalpronomen aus. Dies alles macht den Roman zu einem wunderbar gelungenen Experiment, das ich sehr zu lesen empfehlen kann.
 DM
Anna Stern: das alles hier, jetzt. 248 Seiten, Elster & Salis, Zürich 2020, EUR 24,70