Das scheinbar Unausweichliche begreifen

Endlich ist er erschienen, der neue Roman der israelischen Schriftstellerin Zeruya Shalev! Der eindringliche Titel verweist auf die thematische Essenz des an Lebensgeschichten, israelischer Zeitgeschichte sowie persönlichen, politischen und religiösen Betrachtungen und Bezügen reichen Buchs, geht es doch um die durchaus schicksalhafte Verstrickung der Biografien zweier Frauen, der Gebäuderestauratorin Atara und der alten jüdischen Siedlerin Rachel, der verschwiegenen ersten Frau von Ataras Vater Meno. Rachel und Meno kämpften als Jugendliche von 1944-48 in der Lechi, einer antibritischen rechtsnationalistischen Befreiungsbewegung. Als eine junge Frau namens Atara durch ein arabisches Attentat getötet wird, wendet sich Meno, von seiner schicksalshaften Mitwirkung überzeugt, von der Lechi und zugleich auch von Rachel ab. Seiner Tochter, zu der er als Kind jähzornig und gewalttätig ist, gibt er diesen Namen. Der über Gespräche zwischen Atara und Rachel verlaufende Prozess der Rekonstruktion dieser Ereignisse entfaltet eine Sprengkraft, die sich so zerstörend wie heilend auf das Leben der beiden Frauen auswirkt. Abwechselnd erzählen Atara und Rachel von ihren familiären Beziehungen, ihren Sorgen, Hoffnungen und davon, welche Gefühle, Phantasien und Erinnerungen diese Gespräche auslösen. Wie der intergenerationellen Weitergabe von persönlichen wie politischen Traumata zu entkommen wäre, ist letztlich die zentrale Frage, die der Roman auf komplexe und eindringliche Weise entfaltet.

SaZ

Zeruya Shalev: Schicksal. Aus dem Hebr. von Anne Birkenhauer. 416 Seiten, Berlin Verlag, Berlin/München 2021 EUR 24,90