Einfallsreicher Spiegel: Split 1936

„Träume und Kulissen“ betitelt Alida Bremer ihren Gesellschaftsroman, der die Lesenden ins Split des Jahres 1936 entführt – und zwar sehr sinnlich. Man meint die Gerüche aus den Küchen in der Nase zu haben und die Geschmäcker der beschriebenen lokalen Speisen auf der Zunge. Frauen sind es, die diese Sinnesfreuden ermöglichen, während die Männer ihre gesellschaftlichen Plätze in einer politisch brisanten Zeit verteidigen. Wer kommt da doch auch zusammen: Kroatische Nationalisten, Bolschewiken, Anhäger des Faschismus, Hitler- und Mussolini-Sympathisanten, kommunistische Aktivisten und vor den Nazis Geflüchtete, die auf eine Schiffspassage warten. Zwischen all diesen sind deutsche „filmani“ präsent, Propagandafilmer, die aus der adriatischen Küste eine Kulisse machen, die das Sewastopol am Schwarzen Meer darstellen soll. Täuschung und das Verwischen der Wirklichkeitsebenen sind so ständige Begleiter der Handlung, die durch die eher schleppend sich ergebenden Ermittlungen in einem Mordfall zusammengehalten wird. Bremer zeichnet ihr detailliertes Bild einer Stadt und seiner Bewohner:innen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten mit wirkungsmächtigen Bildern und einfallsreicher Dramaturgie.

Judith Staudinger

Alida Bremer: Träume und Kulissen. 368 Seiten, Jung und Jung, Salzburg/Wien, 2021 EUR 24,00