Das Lesen der veränderten Landkarte
Zunächst führt Hildegard Nachum behutsam und einfühlsam in das komplexe Thema Demenz ein, um dann anhand von Schlüsselbegriffen wie Hunger, Heimat, Angst, Nähe, Distanz, Abschied und Versöhnung Fallbeschreibungen zu präsentieren, wie desorientierte Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt begleitet werden können. Dabei beruft sich die Autorin auf die von Naomi Klein entwickelte Methode der Validation. Annäherungen an Menschen mit Demenz können nur funktionieren, wenn ein hoher Grad an Empathie der Pflegenden oder Angehörigen vorhanden ist. Die in den Lebenswelten der Demenz angekommenen Menschen äußern Emotionen, die anschlussfähig an verschiedenste vormalige Lebenssituationen sind. Das können unverarbeitete Traumata oder Konflikte sein, jedenfalls braucht es Geduld und Demut, um diese seelischen Dramen von außen entschlüsseln und damit Räume öffnen zu können. Genau dieser Prozess ist jedoch für die Betroffenen wesentlich, um sich mit ihrer Welt zu versöhnen und von ihr verabschieden zu können. Der Ratgeber endet mit einem Ausblick, wie das Älterwerden trotz kognitiver Einbußen zum Genuss werden kann, wenn der richtige soziale Ort dazu gefunden wird. Nachdem Frauen über 80 Prozent der Pflege- und Sorgearbeit ausüben, ist es kein Zufall, dass dieser empathische Ratgeber von Frauen verfasst wurde. Der Inhalt ist ein Leuchtturm für alle, die aktiv mit dem Thema verbunden sind. Ein Herzensbuch!
ML
Hildegard Nachum mit Unterstützung von Ulrike Zika: Die Weisheit der Demenz. Wegweiser zum würdevollen Umgang mit desorientierten Menschen. Fotos Mario Sornig. 224 Seiten, Kneipp Verlag, Wien 2022 EUR 22,00