Ordnung bedingt Unterordnung
Der zweite Roman von Monika Zeiner ist ein Familienroman über eine holzverarbeitende Unternehmerdynastie, beginnend im wilhelminischen Kaiserreich und endend in den 10er Jahren des 21. Jahrhunderts. Der eher erfolglose, eigensinnige Fernsehdrehbuchautor und enterbte älteste Sohn der Unternehmerfamilie Nikolas Finck kehrt zum 103. Geburtstag seines pflegebedürftigen Großvaters in die familiäre Villa zurück und wird wider Erwarten dort circa ein Jahr bleiben. Er versucht für sich, die dunklen Seiten der Familiengeschichte aufzudecken, aber auch seiner persönlichen Geschichte näher zu kommen. Seine Reflexionen sind nicht chronologisch aneinandergereiht. Anhand seiner Recherchen rekonstruiert er, wie das durch die Weltwirtschaftskrise marode gewordene Familienunternehmen durch die Arisierung eines konkurrierenden Betriebes sich auf der Seite der Rationalisierungsgewinner im Nationalsozialismus wiederfindet und statt Schulmöbel Büromöbel und Särge produziert. Aktuell soll die Firma mittels Unternehmensberatung umstrukturiert werden, indem sie in eine Aktiengesellschaft transformiert wird, deren Produktion teilweise nach Osteuropa ausgelagert werden soll. Zweifelsohne werden die vorgestellten Charaktere facettenreich nachgezeichnet. Eingeflochtene Religionsgeschichte und philosophische Exkurse verfeinern den Inhalt. Alles in allem ein spannend zu lesender Roman, der auf einer Mikroebene die profitorientierte Gesellschaftsform des Kapitalismus und die Entsprechung des deutschen Wirtschaftswunders kritisch analysiert. Empfehlenswert!
ML
Monika Zeiner: Villa Sternbald oder Die Unschärfe der Jahre. 669 Seiten, dtv, München 2024 EUR 28,80