Texte aus dem Krieg
Am 25. Februar 2022 werden die schlimmsten Befürchtungen von Katja Petrowskaja wahr: Ihre Heimatstadt Kiew wird bombardiert. Die Ukraine befindet sich im Krieg. Ihre Mutter, eine ehemalige Geschichtslehrerin, sitzt im Luftschutzkeller. Die Autorin selbst ist zu diesem Zeitpunkt in Berlin, wo sie bereits seit zwanzig Jahren lebt. Sie quält die ständige Sorge um ihre Verwandten und Freunde in der Ukraine. Im Internet sucht sie nach Nachrichten und Bildern. Daraus entstehen zwischen Februar 2022 und Herbst 2024 Fotokolumnen für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die nun gesammelt als Buch erschienen sind. Petrowskaja schreibt über verschiedene Bilder: Da ist ein Bub mit schwerem Blick in der Menschenmenge in Cherson. Seine Augen verraten, dass er schon viel Gewalt und Leiden gesehen hat. Oder der Verletzte im Lazarett in Bachmut, der von seinen Kameraden gestützt wird. Manchmal sind auch keine Menschen zu sehen, sondern nur ein leeres Klassenzimmer, durch dessen zerbrochene Fenster der Vorhang weht. Dennoch gibt es für Petrowskaja kein Bild, das „die akkumulierten Schmerzen des Krieges darstellen kann. Wir sehen immer nur einen Teil der Wunde“, schreibt die Autorin. Über Fotografie aus dem Krieg zu schreiben war für sie „eine von vielen Formen des Widerstands“. Sie wollte erzählen, was die Menschen in der Ukraine tagtäglich durchmachen. So hat Katja Petrowskaja absichtslos die Chronik eines Krieges geschrieben, dessen Ende noch nicht absehbar ist.
Ute Fuith
Katja Petrowskaja: Als wäre es vorbei. 217 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2025 EUR 25,70