Die besondere Perspektive auf das Leben
Die Autorin und Kritikerin Verena Lueken hat verschiedenste ältere Künstler*innen porträtiert. Sie stellt fest, ältere Frauen verschwinden aus den Medien oder sie werden auf ihre Großmutterrolle reduziert, selten erhalten sie öffentliche Anerkennung. Es ist dieser Zugang, der die Autorin reizt, ältere Künstler*innen ins Rampenlicht zu stellen. Lueken hat sich mit betagten Autorinnen, Filmemacher*innen, Malerinnen, Tänzerinnen und Daniel, der gern ältere Frauen imitiert, beschäftigt. Dazu traf sie die Künstler*innen mehrmals und interviewte sie, um sich mit ihnen über deren weiterhin andauernde künstlerische Tätigkeit und deren Pläne und Projekte zu verständigen. Manche der Künstler*innen sind weit über 80 Jahre alt. Eindrucksvoll daran sind ihre Lebenswege und dass sie häufig erst im hohen Alter gewürdigt wurden. Nehmen wir Janine Campbell, die Zeit ihres Lebens geschrieben hat, aber erst mit über 70 Jahren ihre erste Kurzgeschichte veröffentlicht hat. Oder Ulrike Edschmid, die in den letzten Jahren einige Romane geschrieben hat und über ihre Stimmung verlauten lässt, dass sie zwischen Zerbrechlichkeit und Übermut schwankt. Ein weiteres Beispiel ist Carmen Herrera, die immer gemalt hat, aber erst mit 89 Jahren ihr erstes Bild verkauft hat. Oder Ulrike Ottinger, die davon ausgeht, wenn sie keine Filme mehr drehen kann, dann war es das. Ein Leben ohne Film ist für sie nicht denkbar. Vermächtnisse zu hinterlassen, ist für diese Künstler*innen nicht wesentlich, so wie man es von griesgrämigen alten Männern kennt. Lueken ist eine wunderbare Annäherung an das Älterwerden von Frauen gelungen. Beim Cover hätte der Verlag einfallsreicher sein können. Dennoch: die Gedanken älterer Frauen kennenzulernen und die Gemeinsamkeit, dass im Tätigsein an sich der Reiz liegt, das ist wundersam!
ML
Verena Lueken: Alte Frauen. 319 Seiten, Ullstein, Berlin 2025EUR 25,70
