Das weibliche Gesicht der Revolution
Iran, Belarus, Sudan und Polen, diese vier Länder – besser: die dort aktiven, von Frauen angeführten Bewegungen für Demokratie, gegen Autoritarismus und religiösen Fundamentalismus – stehen im Zentrum des Buches von Shila Behjat. Die Autorin führte Gespräche mit Anführerinnen und wichtigen Protagonistinnen bzw. nahen Angehörigen und fügt daraus ein Bild zusammen, in dem sich – so eine zentrale These – das kommende „weibliche Zeitalter“ bereits erkennen lässt. „Als ihre Beobachterin und Chronistin möchte ich hier ihre Geschichten erzählen“, so umreißt Behjat im Prolog ihr Anliegen. Immer dort, wo sie dieses Anliegen einlöst, wo sie nahe dran bleibt an den Revolutionärinnen, zeigen sich die großen Stärken des Buches. Die porträtierten Frauen und ihr ungemeiner Mut im Angesicht brutaler, oft lebensgefährlicher staatlicher Repression sind mitreißend und machen auch der Leserin Mut, radikaleres feministisches Engagement zu wagen. Wir brauchen Reportagen, die den Fokus nicht auf den wachsenden Autoritarismus legen, sondern auf jene Bewegungen, die dagegen angehen und dabei immer auch ein Stück Utopie in sich tragen. Allerdings hat der Text auch Schwächen, die bei mir die Freude am Lesen trübten. Dazu gehört vor allem die ahistorische Behauptung, dass bisherige feministische Bewegungen sich nur für Frauen eingesetzt hätten (statt für die Gleichberechtigung und Teilhabe aller); die schwache Rezeption feministischer Forschung; die Tendenz zum individualisierenden Fokus auf Anführerinnen, die den beschriebenen Bewegungen nicht gerecht wird, sowie manche Generalisierungen, Inkonsistenzen und die Tendenz zur vielfachen Wiederholung der eigenen Thesen. Dennoch hinterlässt die Lektüre Eindruck – und vor allem tiefen Respekt vor den Revolutionärinnen.
Steve
Shila Behjat: ‚Frauen und Revolution. 272 Seiten, Hanser, München 2025EUR 24,50
