Ambivalenz

Die aktuelle Biografie über Ingeborg Bachmann versucht mit noch bestehenden Rätseln über das Leben der österreichischen Autorin aufzuräumen. Der Biografin geht es um deren persönliche Beziehungen, Drogenkonsum, Sexualität und Einsamkeit. Es bildet sich der Eindruck, dass Ingeborg Bachmann sehr widersprüchlich in der Wahl ihrer Freundschaften war, sonst hätte sie, die einerseits Hannah Arendt sehr schätzte, sich stärker von Persönlichkeiten wie Henry Kissinger abgrenzen müssen. Die gescheiterten Liebesbeziehungen zu Celan und Frisch sind auch in diesem Werk ein Thema, ebenso wie die Tablettenabhängigkeit der berühmten Autorin. Der aus dem Krieg heimgekehrte schweigsame Vater, der 1933 der noch verbotenen NSDAP beigetreten war, wurde nie von ihr entidealisiert, aber auf dieses ambivalente Verhältnis wird nur punktuell eingegangen. Wertungen unternimmt die Biografin, indem sie in Gesprächen mit ZeitzeugInnen das notiert, was ihr bedeutsam erscheint. Diese eingefärbten Erinnerungen ermöglichen ein widersprüchliches Bild der im Mittelpunkt stehen wollenden, labilen Autorin. Und dieses ist sicher von der Biografin beabsichtigt, bedrückend die innere Einsamkeit, die sie Bachmann zuschreibt. Ihr fehlte das verbindliche Gegenüber. Philosophisch tiefergehende Gedanken der im Mittelpunkt stehenden Autorin, um sie besser zu verstehen, bleiben ausgespart. Der Schreibstil der Autorin lässt wenig Langeweile aufkommen.
ML
Ina Hartwig: Wer war Ingeborg Bachmann? 320 Seiten, S. Fischer, Frankfurt/M. 2017 EUR 22,70