Anderswo
Die Literaturwissenschaftlerin Jannica Budde liest Texte der im deutschsprachigen Raum nicht zuletzt wegen ihrer Verhaftung berühmten gewordenen Autorin Asli Erdogan, der deutschtürkischen Autorin Sevgi Özdamar und der nach dem Militärputsch 1980 zuerst nach Berlin, später nach England migrierten Autorin Aysel Özakin. Sie lässt uns bei der künstlerischen Umsetzung des Erlebten in Brasilien, Berlin und Zürich mitlesen.
Sie spannt einen Bogen vom Flanieren zur Stadtnomadin und entmythisiert den positiv besetzten Begriff Nomadentum, der „Beheimatetsein“ in der Fremde konnotiert. Die Grenze zum Exil, der erzwungenen Fremde, bleibt verschwommen. Bei ihren Streifzügen durch die Stadt richten weibliche Flaneurinnen ihren Blick auf geschlechtercodierte Praxen. Im Unterschied zu ihren männlichen Pendants wird ihnen die Straße nicht zur Heimat, sondern vielmehr zum Ort des „Andersseins“, des Verlorenseins, der Verhandlung ihrer Subjektivität. Überschreitungen werden erprobt, Versuche der Aneignung, die Leserin* beobachtet wie nach individuellen Erfahrungswerten neu bemessen wird. Eine erstaunlich mühelos lesbare akademische Abschlussarbeit, Lektüre mit Muße, lohnt sich!
Sena Dogan
Jannica Bude: Interkulturelle Stadtnomadinnen. Inszenierungen weiblicher Flanerie- und Migrations–erfahrung in der türkisch-deutschen und türkischen Gegenwartsliteratur am Beispiel von Aysel Özakin, Emine Sevgi Özdamar und Asli Erdogan. Studien zur deutsch-türkischen Literatur und Kultur, Band 7. 344 Seiten, Königshausen und Neumann Verlag, Würzburg 2017 EUR 50,40