Auf der Flucht

Die jüdische Familie Adler muss während des Novemberpogroms 1938 in Wien um ihr Leben fürchten. Der Vater wird schwer verletzt und ins Konzentrationslager deportiert. Die Mutter trennt sich von ihrem fünfjährigen Sohn Samuel, damit dieser mit einem Kindertransport ins sichere England gebracht werden kann. Über 80 Jahre danach wird im Jahr 2019 im US-Bundesstaat Arizona an der Grenze zu Mexiko die siebenjährige blinde Anita von ihrer Mutter getrennt. Die beiden waren vor der Gewalt in El Salvador in die USA geflüchtet. Samuel reagiert auf das Trauma der Trennung, indem er sich der Musik verschreibt und Orchestergeiger und Musikwissenschaftler in Kalifornien wird. Anita zieht sich in eine Fantasiewelt zurück und spricht mit ihrer toten Schwester Claudia. Die Last der Einsamkeit und Ungewissheit begleitet Samuel und Anita gleichermaßen. Auch wenn die beiden Hauptfiguren in Allendes Roman ein wenig schablonenhaft gezeichnet sind, ist der Autorin doch eine spannende historische Saga gelungen, ohne aktuelle weltpolitische Bezüge – wie etwa die restriktive US-amerikanische Einwanderungspolitik – aus dem Blick zu verlieren.

Ute Fuith

Isabel Allende: Der Wind kennt meinen Namen. Aus dem chil. Span. von Svenja Becker. 335 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2024 EUR 27,50