Auf hoher See

„Wie immer und überall gibt es zu viele Männer, nie wird es mir gelingen, ein Leben zu führen wie sie.“ Lili will endlich frei sein und geht zur See. Im Westen Alaskas heuert sie auf Fischkuttern an, um als einzige Frau zu arbeiten wie die Männer. Die Autorin Catherine Poulain hat selbst zehn Jahre auf dem Meer verbracht, entsprechend detailliert und realistisch sind die Schilderungen vom Alltag des Fischfangs. Da spritzen die Fischgedärme, die Haare sind vom Blut verkrustet, die Grenzen zwischen Tag und Nacht verschwimmen. Arbeiten bis zum Umfallen. Frei von Geschlechtergrenzen ist diese Welt aber nur oberflächlich. Lili verdient weniger, muss noch härter arbeiten, um ernst genommen zu werden und sich nebenbei noch gegen Annäherungen der Kollegen zur Wehr setzen. Sie spüre „die Erniedrigung, eine Frau zu sein, eine Frau unter Männern“. Und trotzdem möchte sie immer wieder raus, ein neues Schiff finden, das sie einstellt, noch härter arbeiten. Woher dieser Drang kommt, aus ihrem alten Leben auszubrechen, bleibt offen. Und: Warum landet die nach Unabhängigkeit strebende Seefahrerin letztlich in einer Beziehung mit einem See-fahrer, in der sie wieder unfrei und getrieben ist?
Gabi Horak
Catherine Poulain: Die Seefahrerin. Aus dem Franz. von Bettina Bach und Christiane Kuby. 414 Seiten, btb Verlag, München 2017 EUR 21,60