Austreibung der Entscheidungsfreiheiten

Die Bezeichnung „Abtreibungsgegner_innen“ greift zu kurz, denn diesen Aktivist_innen geht es um einen umfassenden gesellschaftlichen Kulturkampf – so lassen sich die Erkenntnisse der Autorinnen Eike Sanders, Kirsten Achtelik und Ulli Jentsch auf einen Satz runterbrechen. Ihre nun als Buch vorgelegte akribische Analyse macht klar: Bei aller Differenz zwi-schen einzelnen Gruppierungen geht es den Lebensschützer_innen um den Kampf für traditionelle (antifeministische) Geschlechterrollen und Familienbilder, um rechte und teils auch antidemokratische Gesellschaftsentwürfe. Gut nachgezeichnet werden die Strategien, mit denen Akteur_innen der Lebensschutzbewegung auf verschiedenen Ebenen agieren, nachdem Verweise auf die Bibel keine Mehrheiten mehr finden. Medizinethische Argumentationen versammeln Positionen zum „Beginn des Lebens in der Petrischale“ mit der Ablehnung von Sterbehilfe und Behauptungen über an Abtreibungserfahrungen leidenden Frauen*. Medizinisches Personal und dessen Gewissensfreiheit wird bearbeitet und nicht zuletzt werden über Menschenrechtsdiskurse gerichtliche Präzendenzurteile erwirkt. Zwar liegt der Schwerpunkt der juristischen Ausgangslage in diesem Buch auf deutschem Recht, allerdings sind Querverweise auch zu Österreich und vielen anderen Ländern genannt. Schließlich handelt es sich um international agierende, gut vernetzte Gruppen, die im Schlussteil ausführlich vorgestellt werden. Dieser Band bietet klare Informationen, zahlreiche Quellenhinweise und Basis für dringend wie differenziert zu führende öffentliche Diskussionen.
Meike Lauggas

Eike Sanders, Kirsten Achtelik, Ulli Jentsch: Kulturkampf und Gewissen. Medizin-ethische Strategien der „Lebensschutz“-Bewegung. 159 Seiten, Verbrecher Verlag, Berlin 2018 EUR 15,50